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Pressemeldungen

18. Fachtag Brückenbau 2023 in Berlin: Stahl schlägt Brücke in die Zukunft

|   Pressemeldung

Marode Autobahnbrücken und Eisenbahnbrücken, die nur noch langsam befahren werden dürfen – der Investitionsstau im deutschen Verkehrswegenetz ist ein Dauerthema in der öffentlichen Diskussion. Wie es von vorneherein besser geht oder wie im Schadensfall besser saniert wird, das war das Thema des 18. Fachtags Brückenbau, der unter dem Motto „Stahl – Brückenbau in die Zukunft“ 2023 in Berlin stattfand. Experten aus dem Deutschen Stahlbau-Verband DSTV, Mitglieder aus dem bauforumstahl sowie Behördenvertreter kamen zusammen, und sie nutzten die Gelegenheit zum direkten Draht zu Auftraggebern, Entscheidungsträgern und Planern. Sie informierten sich bei den Vorträgen hochkarätiger Referenten zu verschiedenen Aspekten des Stahlbrückenbaus und suchten bei der begleitenden Fachausstellung den Kontakt zu den anwesenden Firmenvertretern.

Dr.-Ing. Dieter Reitz, Vorsitzender der Fachgemeinschaft Brückenbau, eröffnete den Fachtag: „Gemeinsam verfolgen wir seit mehr als einem Vierteljahrhundert ein Ziel: aktuelle Entwicklungen im Brückenbau miteinander zu teilen, ein fachlich kompetentes Netzwerk für die Ausschreibung und Vergabe von Großbrücken aufzubauen und Erfahrungen auszutauschen. Die Stahl- und Stahlverbundbauweise besticht im Brückenbau architektonisch durch ihre hohe ästhetische Anmutung. Schlanke und filigrane Baukörper, gepaart mit großen Spannweiten, prägen dieses lmage. Technisch lassen sich mit der Stahlbauweise alle infrastrukturellen Anforderungen an das Brückenbauwerk realisieren.“ 

 
Foto  1  (Dieter Reitz) 
Dr.-Ing. Dieter Reitz, Vorsitzender der Fachgemeinschaft Brückenbau.  

Autobahnen ertüchtigen  

Als erster Referent berichtete Rainer Siegel von der Autobahn GmbH des Bundes (Berlin) über den „aktuellen Stand und die Perspektiven im Bereich der Nachhaltigkeit und Vergabe bei Autobahnen“. Dabei bleiben die Brücken weiterhin im zentralen Fokus. 3,1 % der Brücken an Autobahnen stammen aus der Zeit vor 1959, rund 50 % aus den Jahren 1960 bis 1994. Insgesamt gibt es auf den derzeit 6.930 Autobahnkilometern 10.683 Brückenteilbauwerke, von denen rund 4.000 zu sanieren sind – auch mit Blick auf den zunehmenden privaten Auto- und gewerblichen Güterverkehr Rainer Siegel: „Die Autobahn GmbH hat die Anforderung der Zukunft im Blick. Künftig wird die Nachhaltigkeit der Bauweise ein wichtiger Aspekt der Ausschreibung sein, um die Ziele des Green Deals zu erreichen.“ Nachhaltigkeit heißt hier: Erhaltung geht vor Neubau (Produktminimierung!), d.h. vorrangige Bearbeitung findet im Brückenmodernisierungsnetz statt – aber nicht ausschließlich. Im Neubau soll es zu verstärktem Einsatz von nachwachsenden und recyclierten Stoffen kommen, zur Fokussierung auf CO2-Reduktion und längere Lebensdauer. Dabei lassen sich durch serielle und standardisierte Brückentypen bei Planung, Prüfung und baulicher Umsetzung personelle Ressourcen optimieren.  

Zukunftsweg modulares Bauen 

Das Thema Modulbau und Standardisierung griffen auch Dipl.-lng. Thomas Lechner, SSF lngenieure AG (München), und Ulrich Castrischer vom Standort Berlin auf. Ihr Vortragsthema: „Modulbauweisen im Verbundbrückenbau“. Die SSF Ingenieure AG war 2013 und 2022 mit dem Ingenieurbaupreis des Deutschen Stahlbaus in der Kategorie Brückenbau ausgezeichnet worden, zuletzt für die Trogbrücke in Segmentbauweise über die Salzach. Die innovative Brücke hatte die Jury durch ihre schnelle Montage mittels der Modulbauweise bei gleichzeitig herausragender Gestaltung überzeugt. Thomas Lechner stellte fest: „Modulares Bauen im Brückenbau ist eine große Chance, die in Deutschland noch zu wenig genutzt wird.“ Die Vorteile von Modulbauweisen im Brückenbau: erstens qualitativ hochwertige Fertigung der Einzelteile im Werk und zweitens eine deutlich verkürzte Bauzeit. Vor allem für Ersatzneubauten im hoch ausgelasteten Straßennetz werden hierzulande Entwürfe benötigt, die in kurzer Bauzeit realisiert werden, aber dabei Umwelt und Verkehr möglichst nur minimal beeinträchtigen. 

Brücken als Denkmäler 

Der Umgang mit historischen Brücken ist oft anspruchsvoller als der Neubau. So auch bei der Müngstener Brücke, der höchsten Eisenbahnbrücke Deutschlands. Die 1895 bis 1897 als Kaiser-Wilhelm-Brücke errichtete Stahlkonstruktion überspannt zweigleisig in 107 Metern Höhe das Tal der Wupper. Die Bahnstrecke verbindet die Städte Remscheid und Solingen. Am Beispiel dieser Brücke referierten Dipl.-lng. Hans Gunter Gewehr, DB Netz AG (Düsseldorf), und Dr.-lng. Jens Kalameya vom Büro PSP Prof. Sedlacek & Partner GmbH (Dortmund) zum Thema „Erhalt von Eisenbahnbrücken im Spannungsfeld zwischen Betreiberanforderungen und Denkmalschutz“. Bestehende Brücken entsprechen nicht immer den heutigen und zukünftigen Anforderungen. So führen höhere Leistungstonnagen oder höhere Anforderungen in neuen Vorschriften zu Anfahr- und Bremslasten (ehemals: ca. 1/8 bis 1/7, heute 1/4 der Vertikallasten) bei älteren Bauwerken zu einer faktischen Nutzungsänderung. Bauzeitbedingte finden sich konstruktive Defizite in puncto Schweißtechnik, Stahlqualität, Detailausbildung oder technischer Kenntnisstand, und gleichzeitig verschlechtert sich naturgemäß der Zustand älterer Brücken, hier konkret: Feststellung von Ermüdungsrissen. Andererseits kann die technisch-wirtschaftliche Beurteilung nicht die einzige Grundlage sein – die historischen Stahlbrücken sind von hohem kultur- und historischem Wert und ein unbedingt unverfälscht zu erhaltender Teil der gebauten Umwelt und der regionalen Identität. Nach einer eingehenden ingenieurmäßigen Ermittlung der Gebrauchstauglichkeit und Tragfähigkeit der Gesamtkonstruktion unter Berücksichtigung der zeitlich geschuldeten Abnutzung ergab sich folgendes Bild: Eine neue Fahrbahn war als Schweißkonstruktion zu errichten, die bestehenden Festhaltungen mussten gegen Radialgelenklager ausgetauscht und die vorhandenen Rollenlager ersetzt werden.  
„Das Beispiel Müngstener Brücke zeigt eindrucksvoll“, so Hans Gunther Gewehr, „dass zumindest auf schwächer befahrenen Strecken, bei enger und verantwortungsvoller Zusammenarbeit aller Beteiligten der aufgezeigte Spagat zwischen Betreiberverantwortung und Denkmalschutzanforderungen gelingen und für die Nachwelt ein imposantes Denkmal dauerhaft, stand- und verkehrssicher vorgehalten werden kann.“ Die Stärken des Verbundbaus hob Jens Kalameya hervor: „Die Praxis zeigt immer wieder, dass die Kombination aus den Werkstoffen Stahl und Beton für kleinere und mittlere Brücken die beste Lösung ist.“ 

Über die Havel 

Im Mittelpunkt der Tagung stand der „Ersatzneubau der Straßenbrücke Hennigsdorf“ über die Havel-Oder-Wasserstraße (HOW). Die alte Brücke musste wegen festgestellter Spannungsrisskorrosion von Spannstählen vorzeitig ersetzt werden, außerdem sollten die Brückenbauwerke über die HOW auf eine Durchfahrtshöhe von 5,25 m über dem jeweils gültigen oberen Betriebswasserstand angepasst werden. Die neue Brücke ist 60 m lang, ihre Stahlkonstruktion bringt 545 Tonnen auf die Waage. Die Brückenteile wurden in der Werkstatt in Magdeburg gefertigt und zur Montage an die Havel gebracht. Sie wird in Voreinbaulage betoniert und anschließend über Schwimmpontons in ihre Endposition eingeschoben. Die Entlüftungsöffnungen der Brücke, die die für den Korrosionsschutz notwendigen Dichtigkeitsprüfungen erlauben, liegen auf der Außenseite der Brücke. Dipl.-lng. Tonio Mohn vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Oder-Havel (Eberswalde) und Matthias Lange von der Stahlbau Magdeburg GmbH (Magdeburg) stellten das Projekt zunächst im Vortrag dar. Anschließend schlug eine Exkursion zur nahegelegenen Baustelle die „Brücke“ von der Theorie zur Praxis. 

 
Foto  2  (Exkursion) 
Ersatzneubau der Straßenbrücke Hennigsdorf 

Alle Vorträge des Fachtags sind zu lesen bzw. herunterzuladen unter: https://bauforumstahl.de/vortraege-fachtag-brueckenbau-2023

bauforumstahl e.V. (BFS) ist der Spitzenverband für das Bauen mit Stahl in Deutschland. Gemeinsam mit dem Deutschen Stahlbau-Verband DSTV vertritt er die Anliegen seiner Mitglieder gegenüber Politik, Fachwelt, Medien und Öffentlichkeit, bietet Wissenstransfer und engagiert sich in Forschung und Normung. Übergeordnetes Ziel ist es, die Stahlbauweise unter Berücksichtigung ganzheitlicher Aspekte wie Wirtschaftlichkeit, Sicherheit, Flexibilität und Nachhaltigkeit zu fördern. Zu den rund 350 Mitgliedern zählen alle namhaften deutschen Stahlbauunternehmen, Vorlieferanten und Folgegewerke, Architektur- und Ingenieurbüros sowie Hochschulen und Universitäten. bauforumstahl.de 

Redaktion: 

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Bildnachweis:

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